Die Drogen zerfraßen mich

Zum x-ten Mal startete ich einen Drogenentzug und zum x-ten Mal versuchte ich, aus der Entzugsklinik abzuhauen. Doch diesmal lief es schief: In einer Kurzschlußhandlung kletterte ich über den Balkon und wollte abhauen, doch dabei stürzte ich so unglücklich, daß ich bewußtlos liegen blieb. Später sagte man mir: "Sabine, wir können dir nicht mehr helfen, wir weisen dich in eine psychiatrische Klinik ein." Etwas später traf die Ambulanz ein und nahm mich mit. Nun war ich also auf dem Weg in eine psychiatrische Klinik Ð für mich ein absoluter Alptraum!
Als hoffnungsloser Fall abgestempelt, gekennzeichnet von allen möglichen Drogen, saß ich daraufhin in der Notaufnahme, umgeben von einem Oberarzt, Psychiatriepflegern und meinen Eltern, die hilflos und ohnmächtig zusehen mußten, was mit ihrer Tochter geschah. Ich sah furchterregend aus, mein Gesicht war vom Sturz völlig zerschlagen, so daß ich auf meinem rechten Auge nichts mehr sah.
"Sabine, Sie bleiben vorläufig bei uns, Sie sind krank und dazu noch selbstmordgefährdet, und außerdem verordnen wir Ihnen diverse Medikamente, da Sie sonst Ihren Drogenentzug kaum durchstehen werden", so informierte mich der Arzt.
Ich war am Ende, verstand mich und die Welt nicht mehr, ich war erfüllt von Hass und Rebellion gegen alles und jeden und wollte effektiv nur noch sterben.
Mein bisheriges Leben lief vor meinem inneren Auge wie ein Film ab. Ich begriff, daß meine letzten Jahre ein einziges Chaos, eine Reise ins Ungewisse und letztlich ein Spiel mit dem Tod waren.
Während meiner Ausbildungszeit als Drogistin konsumierte ich regelmäßig Hasch und LSD. Das Ergebnis war, daß ich gleichgültig wurde und den schulischen Anforderungen nicht mehr gewachsen war. Ich brach die Lehre ab und begann eine Lehre als Reformverkäuferin. Mein Haschkonsum steigerte sich, und das war für mich mit 17 Jahren der Einstieg in eine Welt von Drogen, Parties und rosaroten Wolken, auf denen ich meinte, ewig getragen zu werden. Hauptsächlich aus Neugier, einem unzähmbaren Erlebnisdrang und einer Leere in meinem Herzen fing ich an, Heroin zu rauchen. Da sich mein Heroinkonsum zu steigern begann und meine Abhängigkeit körperlich wie auch psychisch außer Kontrolle geriet, blieb mein Zustand am Arbeitsplatz und in der Schule nicht verborgen. Ich mußte in der Folge auch diese Lehre aufgeben.
Anfangs liebte ich es mit Drogen zu experimentieren. Gefangen von der unberechenbaren Sucht, geriet ich mehr und mehr in diesen Teufelskreis und begann schließlich mit Spritzen. Mein Leben hing an einer Nadel, sinnlos, geradewegs aussichtslos und ohne meinen täglichen Drogenkick hielt ich die Realität kaum noch aus. Ein lebendes Wrack, abgemagert, zerstört von Heroin, Kokain und starken Beruhigungsmitteln, verirrte ich mich immer mehr in das Todeslabyrinth. Allmählich gehörten Dealen, Schlägereien und Konfrontationen mit der Polizei zur Tagesordnung. Ich kündigte dem Gift immer wieder den Kampf an, doch jedesmal verlor ich die Schlacht gegen die Drogenmacht.
Meine Familie und Freunde aus einer evangelischen Gemeinde standen mir immer wieder mit unendlicher Geduld zur Seite und zeigten mir, daß sie trotz allem noch an mich glaubten. In dieser Zeit haben viele Menschen für mich gebetet.
Ich war oft kritisch gegenüber dem christlichen Glauben, doch Annahme und Liebe, kam mir von diesen Menschen immer wieder entgegen.
Zurück zur psychiatrischen Klinik. Hier verbrachte ich also zwei Wochen, in denen mir bewußt wurde, daß ich mich entscheiden mußte. Ich wußte, es gab nur zwei Wege: Entweder steige ich aus oder fälle mein eigenes Todesurteil.
Ich war hoffnungslos. Doch für Gott gibt es keine hoffnungslosen Fälle. In meiner verzweifelten Lage schrie ich zu Ihm: "Bitte hilf mir, ich schaffe das alles nicht mehr!" Gott hörte mein Schreien. Nach nur einer Woche war mein rechtes Auge fast wieder geheilt, mein Gesicht außer ein paar blauen Flecken wieder in Ordnung und die Röntgenbilder zeigten keine sonstigen Verletzungen auf. Ich konnte Ihm nur noch danken!
Was die Entzugserscheinungen anbelangte, erwartete ich das Schlimmste, und ich hatte Angst davor. Doch wieder fühlte ich das Eingreifen Gottes. Ich hatte sozusagen fast keine Schmerzen. In diesen zwei Wochen Psychiatrieaufenthalt erlebte ich Gottes Nähe so real, daß ich Ihm sagte, daß ich von jetzt an ganz in seiner Nähe leben wolle. Ich las in der Bibel folgende Stelle: "Wendet euch zu mir, so werdet ihr gerettet, aller Welt Enden; denn ich bin Gott, und sonst keiner mehr." (Jesaja 45,22)
Am 16. November 1993 bin ich im Kanton Glarus in eine christliche Therapie eingetreten. Dort hatte ich Gelegenheit, die Ursachen und Hintergründe meines zerrütteten Lebens in Einzelgesprächen aufzuarbeiten. Ich lernte, was tägliches Zusammenleben in einer Wohngemeinschaft heißt und auch verlangt. Das war oft eine gegenseitige Herausforderung. Doch es war eine wertvolle Zeit und mein Leben veränderte sich positiv.
Nach der Therapie wohnte ich in einer wunderschönen Dachwohnung in Glarus und arbeitete in einem Wohnhaus für körperlich behinderte Menschen, wo ich für die Pflege und Betreuung zuständig war. Ich erlebte an mir das Wunder, das in der Bibel im 2. Korinther 5,17 beschrieben ist: "Wer zu Christus gehört, ist ein neuer Mensch geworden. Was vorher war, ist vergangen, etwas ganz Neues hat begonnen."
Mein Leben ist seither wertvoll und sinnvoll, und ich erlebe täglich, daß Gott kein frommes Märchen, sondern ein lebendiger Vater ist, der sich für mich - sein Kind - interessiert und mich liebt.
...und heute...
Seit vier Jahren bin ich nun glücklich verheiratet und wohne wieder im Kanton Bern. Ich arbeite in unserem Familienbetrieb im Büro und in der Spedition. Daneben mache ich 3-4 mal pro Monat Abenddienst in einer Entzugsstation für Drogenabhängige. In meiner Freizeit fotografiere und koche ich gerne, lerne zur Zeit fleißig Englisch, nehme Gesangsunterricht und bin in einer Tanzgruppe dabei. Mein größter Wunsch ist, daß Menschen ergriffen werden von der Liebe Jesus und echte Freiheit und Freude erfahren dürfen in ihrem Leben, so wie ich es erlebt habe.
Sabine


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