Als Kind hatte ich alles, was ich nur wünschte - rein äußerlich. Jeder sollte sehen, daß bei den Eggerts alles in Ordnung ist, doch innerlich fehlte eine Menge. Meine Eltern haben sich eigentlich nie so richtig um mich gekümmert, und irgendwann habe ich mich dann abgekapselt. Und doch war in mir drin ganz stark der Wunsch, beliebt und anerkannt zu sein. Wie sollte das aber geschehen? Ich war eher pummelig, schielte und die anderen zogen mich oft auf deswegen. Ich hungerte den fetten Wanst herunter, machte Sport und veränderte mein Äußeres immer mehr auf Punk. Dann war ich auf einmal interessant, da wollten sie mich alle kennenlernen. Inzwischen rebellierte alles in mir gegen das spießige Leben meiner Eltern. Ich wollte mehr, wollte etwas darstellen, Anerkennung finden. Das ging am besten durch Provokation. Zu Hause lief es immer chaotischer, mein Vater hatte Probleme mit seiner Firma und bekam Depressionen, die Scheidung meiner Eltern lief. Unter den Punks fühlte ich mich immer wohler, das war wie eine Familie. Je fertiger die Typen waren, mit denen ich zusammen war, desto besser. Irgendwann hat mich das Rumhängen, Saufen, Kiffen angeödet. Ich wollte mehr, ich wollte tiefere Erfahrungen machen. Ein Parapsychologe, der mir und meiner Mutter die Zukunft voraussagte, hatte in mir das Interesse geweckt. Mit der Zeit merkte ich, wie ich allein durch meine Gedanken erst Gegenstände, dann Menschen beeinflussen konnte. Ich war ein Medium. Ich war in der Lage Kontakt mit Toten aufzunehmen, ich sah Fratzen, ich hörte Stimmen, hörte die Engel Satans an die Tür klopfen, ich spürte wie die Dämonen mich haben wollten. Mich packte die Angst, oft war ich nahe dran, mich vor einen Zug zu stürzen. Die Stimmen sagten immer zu mir: du mußt sterben, und zwar bald. Es war die Zeit, als ich oft auf dem Friedhof war, ich sah inzwischen selbst aus wie der wandelnde Tod: blaß geschminkt, die Gestalt verhüllt in schwarze Kutten. Aus der Punkerin war ein Gruftie geworden. Am liebsten hätte ich mein Zimmer mit schwarzen Samt tapeziert und in einem mit rotem Samt ausgeschlagenen Sarg geschlafen, doch das war zu teuer. In der Gruftie-Gruppe fühlte ich mich aufgehoben, wir trafen uns um Mitternacht auf dem Waldfriedhof, kifften, ritzten uns in die Haut und feierten Blutsbrüderschaft. Sexuelle Hemmungen gab es nicht. Abartigkeiten waren normal, wir fühlten uns als große Familie. Jeder mit jedem und überall war die Devise. Irgendwann verlor ich die Kontrolle über mich und rutschte noch tiefer ab ins asoziale Milieu. Ich ließ mich gehen, war mit einem Typen zusammen, der in einem völlig verdreckten Loch lebte und der wollte, daß ich auf den Strich gehe, damit Geld für Drogen da wäre. Ohne Drogen war das alles nicht auszuhalten. Insgesamt war ich vielleicht nur noch zwei Stunden am Tag klar. So lief ich durch die Straßen, mit weit aufgerissenen Augen, ungewaschen, die Haare verklebt im Gesicht, in Lederjacke, Minirock und mit zerrissenen Strümpfen. Die Leute schauten mir nach... Eines Tages spricht mich einer in Uniform an: "Hey Teeny, siehst gut aus. Komm wir treffen uns unten im Coffee-Shop". Es war Jo Scharwächter von der Heilsarmee, doch ich dachte damals, es wäre ein Typ von der Kreissparkasse und hab' ihm einen Vogel gezeigt und bin weitergezogen. Zwei Stunden später bin ich wieder am Marktplatz vorbeigekommen, und da haben mich einige Leute zum Kaffee eingeladen. Gaby, wie sich später herausstellte, die Tochter des Pfarrers, redete mit mir über Jesus. Ich dachte: "der zeigst du's jetzt", und fing an mit Parapsychologie. Da gingen der Gaby die Antworten aus und sie holte Jo Scharwächter. Er erzählte von seinem kaputten Leben, ich von meinem. Er hat mir gesagt, daß der Teufel selber ist, hinter mir her sei, und wie gefährlich das sei, was ich treibe. Ich habe mich noch gewehrt, aber immer mehr bekam ich das Gefühl, daß er die Wahrheit sagt. Ich wußte, wenn ich eine Chance habe, dann jetzt. Als Jo mich vor die Entscheidung stellte: für oder gegen Jesus, habe ich zugegriffen. In einem Wohnwagen habe ich all den Dreck an Jesus abgegeben und Ja gesagt. Ich bin dann heimgefahren mit einem unbeschreiblichen Gefühl in mir drin, so als ob man mindestens 10 Kilo von mir runtergeschmissen hätte, so total frei. Die Okkultismus-Bücher habe ich weggeschmissen, die Zigarette schmeckte mir nicht mehr, und das Stirnband mit dem Totenkopf paßte auch nicht mehr zu mir.
Gott mußte jede Menge an mir heil machen, das war nicht leicht, aber über allem steht jetzt, daß Gott mich lieb hat.
Zur Hauptseite
|