Unterwegs mit meinem Schutzengel

Es war der Sommer 1984. Meine Freundin lebte in Dresden bei ihrer Mutter und ich hatte ein kleines Zimmer in Stolpen. Da wir zu diesem Zeitpunkt schon einen kleinen Sohn hatten, war es für mich auch keine Frage, jeden Tag nach der Arbeit die 30 Kilometer nach Dresden zu fahren und den Rest des Tages gemeinsam mit unserer kleinen Familie zu verbringen. Oft war es schon Mitternacht, als ich mich wieder mit dem Motorrad auf den Heimweg machte.
Ich war ein guter und sicherer Fahrer und die Strecke kannte ich so gut, daß ich sie hätte im Schlaf fahren können. Ständig war ich mir meiner Verantwortung als junger Vater gegenüber meinem Sohn und meiner Frau bewußt, so daß ich nie zu einem übersteigerten Fahrstil neigte.
Und doch. Es war wieder einmal sehr spät geworden und ich fuhr ziemlich zügig um schnell ins Bett zu kommen. Die Nacht war angenehm warm und die Straßen waren wie leergefegt. Das Fernlicht brauchte ich überhaupt nicht abzublenden. Ich fuhr in die Ortschaft Stolpen ein und die Straße ging in die Altstadt bergab. Da alles frei war hatte ich auch meine 90 km/h drauf. Etwa 200 Meter vor mir war eine leichte Rechtskurve, die diesem Tempo mühelos standhielt. Kurz vor dieser Kurve befand sich eine Rampe, auf die die Bauern ihre Milchkannen für das Milchauto stellten. Als ich mich dieser Kurve näherte, sah ich im Fernlicht jemanden auf dieser Rampe stehen. Als ich mich weiter näherte glaubte ich meinen Augen nicht zu trauen. Ich sah eine Gestalt, wie ich sie nur aus den Religionsbüchern oder den Wandfresken der Kirchen kannte. Ein junger Mann im langen weißen Gewand und langen Haaren. Er streckte mir seinen rechten Arm mit erhobener Hand entgegen und hatte etwas sehr ernstes in seinem Gesichtsausdruck. Ich war so sehr verwundert und erschrocken, daß ich augenblicklich mein Gas wegnahm. Im Vorbeifahren sah ich nur noch, daß da ganz gewöhnliche Milchkannen standen, wie immer. Ich ging in die Kurve und in diesem Moment sprang mir eine Katze vor das Vorderrad und kam nur um zentimeterbreite davon. Das war der zweite Schreck. Etwas viel für die ca. 10 Sekunden.
Nach einer Minute war ich zuhause. Ich lief in mein Zimmer machte alle Lampen das Radio und den Fernseher an. -Ich hatte Angst!- Erst nach und nach begriff ich, was geschehen war. Ich war mir bewußt, daß wenn ich durch diese Erscheinung nicht das Gas weggenommen hätte, dann wäre ich unweigerlich mit der Katze kollidiert und mit Sicherheit schwer gestürzt.
Von diesem Moment war mir klar, daß ich meinen Schutzengel gesehen habe. Und ich weiß, daß ich ihn gesehen habe. Kein Mensch auf dieser Welt könnte mir das jemals ausreden. Ich hatte den "Beweis", den ich alter Materialist brauchte, um mit aller Überzeugung und Hingabe an Gott zu glauben.
Oft noch bin ich unter ähnlichen Fahrbedingungen diesen Streckenabschnitt gefahren, aber nie wieder ähnelten die Milchkannen auch nur im entferntesten an eine Gestalt in menschenform.
Heute bin ich Vater von 3 Kindern und auch noch nach 13 Jahren glücklich verheiratet. Oft denke ich an diese Nacht zurück, besonders dann, wenn es mir der Alltag mit seinen Problemen und auch Nichtigkeiten schwer macht die Liebe Gottes zu spüren. Dann sehe ich mir meine Familie an und bin unsagbar glücklich und dankbar, daß ich das alles erleben darf.
Mein Glaube ist in den Jahren so stark geworden, das wir ihn an unsere Kinder weitergeben können ohne die Fehler meiner Eltern zu machen. Mein Bruder bekennt sich als gottlos. Das macht mich sehr traurig. Auch meine Schilderungen von meinem Erlebnis mit Gott berühren ihn nicht. Ich hoffe, daß es bei Dir, lieber Leser, anders ist. Vielleicht habe ich Dich damit erreicht und habe Dir anhand meiner Person gezeigt, wie Gott sich einem Zweifler offenbaren kann. Wenn Du ähnliches erlebt hast, höre nie auf davon zu berichten auch wenn man nur belächelt wird. Lange Zeit habe ich nur im engsten Kreis meiner Vertrauten darüber gesprochen. Doch dann kam mal der Moment, wo ich auch meinen Kollegen davon erzählte und machte die Erfahrung, daß viel mehr Menschen im tiefsten Inneren an "etwas Göttliches" glauben als sie selbst zugeben möchten. Gerade in der heutigen Zeit, da alles nur noch von Konsum, Kommerz, Gewalt und Lieblosigkeit gekennzeichnet ist, sollte man nie aufhören, an die kleinen Wunder die uns täglich wiederfahren zu glauben, sie festzuhalten und weiterzugeben.
Alexander Vogt


Zur Hauptseite